1217Vieles hat sich verändert seit der Karolingerzeit. Herrscher sind jetzt die Staufer, und der Bereich, der zu beherrschen ist, hat sich wesentlich vergrößert:
"Heiliges Römisches Reich" nennt sich der Herrschaftsbereich der römisch-deutschen Kaiser Otto, Heinrich, Friedrich...
Es war kaum möglich, dieses große Reich zentral zu regieren, die Könige und Kaiser nutzen verstärkt die Mitarbeit von dezentralen Landesfürsten: Auch Erzbischöfe waren dabei, z.B. unser
Engelbert.
Seine Lebensgeschichte lässt sich in vielen Veröffentlichungen nachlesen, z.B. beim Landschaftsverband Rheinland.
Hier mal ein paar Stichworte zu Engelbert:
Engelbert von Berg (um 1185 - 1225), zweitgeborener Sohn des Grafen Engelbert I., mit 13 Jahren Propst des St. Georg-Stifts in Köln und im Alter von etwa 18 Jahren Propst des mächtigen Domstifts, Erzbischof vom Köln als Engelbert I., Weihe am 24. September 1217 in Köln, Probleme mit Stauferkaiser Heinrich VI.,
Teilnahme an einem Kreuzzug gegen die Albigenser in Südfrankreich, übernimmt 1218 die Grafschaft Berg (widerrechtlich ?), und da sein Vater schon Engelbert I. war, nannte er sich nun Engelbert II.
Friedrich II. ernennt Engelbert zum Reichsverweser für die Gebiete nördlich der Alpen und zum Vormund seines Sohnes. Am 7.11.1225 wurde Engelbert in einem Hohlweg bei Gevelsberg überfallen und ermordet. Anführer des Trupps war ein enger Verwandter.
Für uns ist natürlich die Urkunde von 1217 besonders interessant. Datiert: "Im ersten Jahr nach seiner Weihe" - aber noch in 1217 - also zwischen Oktober und Dezember 1217. Mit diesem Dokument wird ein Zehnt an das Kloster
Schillingskapellen übertragen, wobei unser Winricus (notiert als "von Bůrlsdorp") erstmals genannt wird. [1]
Als Verkäufer wird "Henricus Nose de Nottinchoven" genannt - dies ist eine frühe Bezeichnung von Nettekoven.
Details und Hintergrundinformationen sind im Urkundentext nicht enthalten, allerdings gibt der Autor
Josef Lothmann in seinem Buch - "Erzbischof Engelbert I. von Köln", Kölnischer Geschichtsverein, 1993 -
den Hinweis auf das Thema Laienzehnt, das im Film dann weiter ausgeschmückt wird. Originaltext:
"Engelbert scheint seine Schutzpflicht gegenüber dem Stift (Schillingskapellen) nachdrücklich geltend gemacht zu haben, nachdem er ihm 1217 noch als Probst des Kölner Georgstift gegen die jährliche Zahlung eines Zinses von sechs Denaren an die Propstei des Georgstifts den aus Laienhand resignierten Zehnten einer Hufe, auf der die "curia" des Stifts lag, übertragen hatte. Anm 406: REK III 181"
[1] Also nicht "Heinrich" - wie das Landesarchiv NRW hartnäckig behauptet - und nicht "Burisdorp" - wie es lange Zeit an der Buschdorfer Grundschule gelehrt wurde.
Frühere Ortsnamen
1217
In der Urkunde, aufgrund derer wir 2017 ein Jubilämsjahr gefeiert haben, erscheint der Name als "Winrich von Bůrlsdorp" [2]. Genaugenommen "Winrici", da die Grammatik des Satzes einen Genitiv benötigt. Bůrlsdorf mit gedehnter Aussprache des "u" - aber das "l" im Namen verwirrt.
Profis, die sich beruflich mit dem Entziffern und Deuten von alten Urkunden befassen, berichten, dass in alten Urkunden sehr häufig Varianten von Namen zu finden sind, die nicht aus einer Weiterentwicklung der Sprache zu deuten sind. Hintergrund ist, dass die bei der Urkundenerstellung zu nennenden Personen, seinerzeit keine Personalausweise mit "richtigem Namen" hatten, und dass es auch keine amtlichen Verzeichnisse der Namen oder Ortsnamen gab. Es wurde das aufgeschrieben, was ihnen als Name gesagt wurde, und was sie verstanden haben. Nur so kann das "l" in "Burstorp" hineingeraten sein, denn ein Wort "Burls" gab es in der damaligen Sprache nicht. "Burs" hatten wir ja schon im Kapitel "Karolinger" als glaubwürdig erachtet.
1230
In unserer weiteren Zeitreise wird beim Rundgang von 1907 beim "Klosterhof" eine Urkunde von etwa 1230 erwähnt mit dem Ortsnamen "Burstorp" [2]. Auch später erscheint über viele hundert Jahre hinweg der Name mit "Burs", mit den für diese Jahre üblichen Schreibweisen
von Dorf: z.B. dorp, torp, torpf, etc.
1224 - Die Problemurkunde
Zu Diskussionen führt eine Urkunde von 1224 (also zeitlich zwischen den bisher genannten) mit dem Namen "Borrestorp" [2].
Erzbischof Engelbert I. bekundet, dass die Abtei Siegburg drei zum Hofe Ollheim gehörige und bei dem Kloster
Schillingskapellen gelegene Mansi sowie eine Mühle zu Heimerzheim diesem Kloster in Erbpacht gegeben und das
Selegerede (gesammelte Almosen) von der Klostermühle zu Horendorp ermäßigt habe. (Text archive.org "Ungedruckte Urkunden der Erzbischöfe von Köln)
Zeugen sind einige Herren des Klosters Siegburg, der uns bereits bekannte
"Willelmus Scillinc" und einer, der als "Winricus de Borrestorp milites (der Ritter)" bezeichnet wird. Obwohl der Name Winrich in diesen Jahren weitverbreitet war, und die Schreibweise "Borrestorp" doch etwas anders klingt als "Bursdorp", wird er als "unser Winrich" gedeutet (Horst Bursch 1987 und andere).
Es könnte jedoch auch ein ganz anderer Winrich sein.
Z.B. einer, der dem Kloster Siegburg sehr nahe steht - etwa aus einem Ort ganz in der Nähe, der die Eigenschaft als Grenzort eines "Burgbanns" um das Siegburger Kloster besitzt - ein Ort der im Laufe der Geschichte sich um 800 als "Bodesdorp" oder um 900 als "Boresdorp", aber auch 1071 als "Bozenlohe",
1159 als "Bosestorp", 1348 als "Boisdorp", und im Zeitbereich vor 1810 als "Boursdorp" [2], und 1807 bis 1814 sogar kurzzeitig als "Buschdorf" [2] darstellt. Dies
wäre dann der heutige Ort "Buisdorf", der uns schon bei der Betrachtung des Ortsamens von unserem Buschdorf im Kapitel "Karolinger" begegnet ist und schon einmal als Verwechselung mit dem linksrheinischen Buschdorf aufgefallen ist.
Ein "Winricus de Builisdorp" (1221) hat vermutlich nichts mit Buisdorf zu tun.
[2] Liest man etwas über ehemalige Ortsnamen, die in einer Urkunde aufgetaucht sein sollen,
so ist Vorsicht geboten. In Findbüchern, Abhandlungen, Inhaltsangangabe in Internetverzeichnissen etc. wird
oftmals nicht der Name so genannt, wie er in der Original-Urkunde steht, sondern der Name, wie er zur Zeit der Herausgabe
des vorliegenden Dokuments aktuell war. Sicherlich ein gutgemeinter Service für die Leser dieser Zeit, aber
Jahrhunderte später sehr verwirrend. Die Anmerkung [2] sagt jeweils aus, dass der Autor dieser Zeilen sich auf
Fotos der Originalurkunde von der Richtigkeit der Angaben überzeugt hat.
Klima-Info
1217 gehört gerade noch zur "mittelalterliche Warmzeit" (etwa 950 - 1250 n.Chr.) Wir nähern uns
der "kleinen Eiszeit" (1300 - 1900). Dies ist keine echte Eiszeit, die in den astronmischen Zyklus passt,
sondern nur eine "Kälteperiode", in der es etwa um 2 Grad kühler war als heute. Die Ursachen sind nicht eindeutig bekannt,
eine dokumentierte Zunahme an Vulkanausbrüchen weltweit oder Vorgänge auf der Sonne werden diskutiert.
Es war auch die Zeit, in der das ehemalige Grünland im Norden (bekannt unter dem Namen Grönland) vereiste.
Hier mal ein paar Beispiele zu vorhandenen Aufzeichnungen im Bonner Bereich:
Quelle: BONN - eine kurze geschichtliche Darstellung (1856/57)
http://digitale-sammlungen.ulb.uni-bonn.de/periodical/pageview/1299209
und 1299213
In Kältezeiten bekommt die Landwirtschaft Probleme, dies bringt politische Unruhen und Kriege mit sich, aber auch einen Anstieg von Verbrechen.
Beispiele aus Buschdorf:
13.3.1295 Streit zwischen dem Dekan der Bonner Kirche und dem Ritter Franco von Burstorp
15.9.1367 Unwetter mit Hagel, wie es hierzulande noch nie erlebt wurde.
Die Höfe ihrer Kirche zu "Mestorp, Ryndorf, Reyde et Burstorp",
Früchte aller Art, die Wingerte und Weine wurden verwüstet bzw. vernichtet.
1376 ... und der Bischof durfte außer Bonn nit kommen, und brannten voran bis umb Bonn alle Höfe, Dörfer, Scheuren von dannen
längs des Vorgebirgs, Bursdorf, Waldorf...
1396 Christian Schilling hat die Bonner Kirche in ihrem Hof Buschdorf (Burstorp), ausgeraubt; der Schaden der Bonner Kirche belaufe sich auf 300 Gulden.
1642: Hessische Truppen brandschatzten Dransdorf, Meßdorf und Messenich und auch in Buschdorf standen Rauchsäulen über den Häusern
1665 bis 1668 wüthete (wieder einmal) die Pest. Buschdorfer Opfer sind im Kirchenbuch Grau-Rheindorf dokumentiert.
13.9.1844 Aus einer Wohnung in Buschdorf wurde eine Taschenuhr mit silbernem Gehäuse, Porzellan-Zifferblatt, arabische Ziffern, und Stahlzeigern
vermittels Einsteigen gestohlen.
Am 25. Februar 1869 hat sich Anna Maria Engels aus Buschdorf, 30 Jahre alt, mit dunkelblondem Haar, blaugrauen Augen, bleicher Gesichtsfarbe, von kleiner gesetzter Statur, bekleidet mit weißleinernem Hemde, wollenen Strümpfen, einem blauwollenen und einem Biber-Unterrocke, grauer Lüsterjacke und einer Nachtmütze von Kattun, aus ihrer Wohnung entfernt und wird vermuthet, daß dieselbe verunglückt sei.
Verständlich, dass der Filmmacher diese Jahre ausgelassen hat, schließlich sollte ja kein Katastrophenfilm entstehen.
Wandel des Ortsnamens
In dieser schlimmen Zeit gab es aber auch eine technologische Veränderung, die mit der heutigen Wandlung in eine digital Welt durchaus zu vergleichen ist.
Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg (geb. um 1400 in Mainz; verst. vor dem 26. Februar 1468 ebenda), gilt als Erfinder des modernen Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern (https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Gutenberg).
Diese Technik machte es möglich, dass ein aufkommendes neues Denken sich viel schneller als je zuvor verbreiten konnte. Bekanntestes Beispiel sind die Thesen Martin Luthers, 500 Jahre vor unserem Buschdorfer Jubiläumsjahr.
Ein weiterer Schritt Martin Luthers war es, neben vorhandenen deutschen Versionen der Heiligen Schrift eine eigene Fassung herauszugeben, wobei das Problem auftrat, dass es ja eigentlich keine Deutsche Sprache gab, sondern eine Vielzahl von Dialekten.
Seine Lösung: "Er schaute dem Volk aufs Maul". (https://www.luther2017.de/de/reformation/und-gesellschaft/deutsche-sprache/wem-hat-luther-aufs-maul-geschaut-luthers-einfluss-auf-die-sprache/)
und vollbrachte damit einen großen Schritt zum Neuhochdeutschen. Dieser Prozess weitete sich über ganz Deutschland aus. Alles sollte von nun an Neuhochdeutsch geschrieben werden. (So wie wir es heute erleben, wenn Fahrkarten plötzlich Tickets heißen).
Bei der "Verneuhochdeutschung" gingen häufig die ursprünglichen Schreibweisen und Bedeutungen der Ortsnamen verloren - das "r" verschwand, das "s" wurde "sch" - und schon hießen wir "Buschdorf". Mal mit "ü", mal mit "u", mal mit einem oder zwei "f".
Erste Hinweise zu dieser Wandlung finden sich in Urkunden von 1632 und in den Berichten über die Bannbegehung von 1636 (Bonner Banngänge) und in den Unterlagen zur Pest von 1666.
Da Urkunden immer wieder mal neu abgeschrieben wurden, ist es schwer, den wirklich ersten Schriftzug "Buschdorf" zu identifizieren, der genannte Zeitbereich erscheint aber glaubhaft.
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Making-of
Wieder eine bunte Mischung aus Computer-, gemischten, und Realszenen.
Ob die Innenaufnahmen der Kirche dem Zeitstil entsprechen, kann nicht garantiert werden, es war eine
im Programm enthaltene Szenerie. Heinrich von Nettekoven wurde mit einer besonders großen Nase
dargestellt, da er in der Urkunde auch als "Heinrich Nose" bezeichnet wird.
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